Epoche des Expressionismus (1910 - 1925)
Ein Schrei nach Veränderung als historischer Hintergrund
Der Expressionismus war keine einheitliche Bewegung, sondern ein stilistisch wie thematisch vielschichtiger Umbruch – getragen vor allem von jungen Autoren, die sich gegen bürgerliche Ordnung, Ästhetizismus und politische Gleichgültigkeit wandten.
Die Epoche entstand in einer Zeit rasanten gesellschaftlichen, technischen und politischen Wandels. Wichtige Einflüsse auf die Entstehung des Expressionismus waren dabei folgende gesellschaftliche Themen:
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Verstädterung, Industrialisierung, Entfremdung
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Krise der traditionellen Werte, zunehmende Militarisierung
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Vorahnung des Ersten Weltkriegs (1914–1918) und die Katastrophe selbst
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Verunsicherung durch Massenkultur, Anonymität und seelischen Zerfall
Viele junge Schriftsteller reagierten darauf mit Radikalität, Formzertrümmerung und einer neuen Sprache, die den Zustand der Welt nicht verschönert, sondern aufrüttelt. Literatur wird existenziell.
Übrigens: Auch wenn Impressionismus und Expressionismus im Grunde gegensätzlich sind, verbindet sie doch so einiges. Die im Impressionismus von außen aufgenommen Eindrücke werden im Expressionismus innerlich verarbeitet und führen so ebenfalls zu einer reichen Auseinandersetzung mit der Außenwelt.
Ein gutes Beispiel dafür, wie impressionistische Künstler ihre expressionistischen Nachfolger beeinflusst haben, ist Van Gogh. Er gilt gemeinhin als Vertreter des Spät- bzw. Post-Impressionismus, legte mit seiner unkonventionellen Umgebungsmalerei jedoch den Grundstein für die Malerei des Expressionismus. Gleiches gilt für Edvard Munchs berühmtes Gemälde "Der Schrei".
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Starry Night (Van Gogh) |
Bedeutung des Expressionismus für die Literatur
Die Autoren des Expressionismus veränderten das literarische Schreiben grundlegend. Es ging nicht mehr um Realitätsabbildung, sondern um Seelenzustände, Visionen, Schmerz, Ekstase, Wahnsinn und Zerstörung.
Unkonventionalität als literarisches Werkzeug
Die Sprache wurde in der expressionistischen Literatur oft zum Stakkato, zur Verkürzung, Verdichtung, zum Bildschock. Konventionelle Syntax und Reimstrukturen traten in den Hintergrund – stattdessen dominierte die Kraft des Bildes, die Fragmentierung des Subjekts, der Ruf nach Erneuerung.
Gleichzeitig versuchten viele Autoren auch eine ethische Neubegründung des Menschen, oft mit religiösen, philosophischen oder utopischen Elementen.
Literarische Besonderheiten
Typische Textsorten des Expressionismus war unter anderem die Lyrik. Lyrische Texte galten als zentrales Ausdrucksmittel, da sie laut, bildstark und aufrüttelnd die inneren Welten der Autoren wiedergaben.
Auch das Drama, oft in Form von Stationendramen ohne klassische Handlung, war im Expressionismus sehr beliebt. Die Erzählprosa bot ergänzend eine Textvariante, in der expressionistische Autoren visionär und häufig fragmentarisch ihre inneren Monologe ausdrücken konnten.
Stilmittel und Motive
Zu den wichtigsten Motiven des Expressionismus gehören freilich Themen wie Krieg, Tod und Wahnsinn. Gleichwohl beschäftigten sich die Autoren der Epoche auch mit dem Ich-Verlust, etwa im Kontext der Großstadt und ihrer riesigen Menschenansammlungen.
Weitere typische Motivfelder waren Blut, Feuer, Maschinerie, Explosion, Dunkelheit und Moloch. Klassische Stilmittel, die dem Expressionismus zugeschrieben werden, sind:
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Neologismen
Ellipsen
starke Verben
Verfremdung
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Metaphernrausch
Bilderflut
Chiffren
Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt (Novelle, 1910)
Alfred Lichtenstein
Weltende (Gedicht, 1911)
Jakob van Hoddis
Morgue und andere Gedichte (Gedichtband, 1912)
Gottfried Benn
Der Sohn (Drama, 1914)
Walter Hasenclever
Gedichte (Lyrik, 1911–1918)
Georg Trakl
Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders (Prosa, 1912–1916)
Carl Einstein
Die letzten Tage der Menschheit (Drama, 1915–1922)
Karl Kraus
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