Schreibbüro zum blauen Federkiel

Literatur in Tateinheit mit Kunst

Die Vier Künste: Poesie (Mucha)
 
 
Das Motto des blauen Federkiels ist eigentlich nichts Neues. Denn im Grunde ist Literatur eine Kunstform, was im schnelllebigen Tagesgeschäft der Contenterstellung nur allzu gerne vergessen wird. Autoren oder "Texter", wie man sie heute gerne mal beiläufig nennt, sind Wortkünstler. Und die bedeutende Rolle, die ihnen im Informationszeitalter zukommt, wird einem oftmals erst so richtig bewusst, wenn man Kunst- und Literaturgeschichte etwas genauer betrachtet.  


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Epochenübersicht:

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      Der blaue Federkiel wird 10 Jahre alt


      Am 3. März 2013 nahm das Schreibbüro zum blauen Federkiel erstmals seine Arbeit auf. Über 5.000 Ratgeber, Produktrezensionen, Bloginhalte, Studienarbeiten und eBooks wurden seither verfasst, lektoriert, übersetzt und dabei auch so manche Webseite in Vollredaktion betreut. Während dieser Zeit ist der blaue Federkiel von einem kleinen Nebenjobprojekt zu meiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständige Content Writerin geworden. 

      Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Geschäftspartnern für ihr Vertrauen und hunderte interessanter Projekte bedanken. An der Seite kreativer und innovativer Kunden das Netz und die Studienwelt mit qualitativ hochwertigen Inhalten zu bereichern, hat mir wertvolle Erfahrungen beschert, die ich nicht missen möchte.

      Ein ganz besonderes Projekt feiert dabei diesen März ebenfalls sein Jubiläum. Ursprünglich als kleiner Gartenblog ins Leben gerufen, hat sich das Grüne Archiv in den letzten 10 Jahren zu einem namhaften Fachportal für grüne Themen entwickelt und begeistert heute jährlich rund 300.000 Leser aus aller Welt. 

      Ein besonderer Dank gilt daher auch allen Lesern, die gruenes-archiv.de zu ihrer Lieblingsseite für Topics wie Botanik, Garten, pflanzliche Lebensmittel, Kräuterkunde, Nachhaltigkeit, Natur und Umwelt gemacht haben. Inzwischen hat das Grüne Archiv auch internationale Bekanntheit erlangt und 2022 sogar einen European Enterprise Award als beste Plattform für kompakte Pflanzratgeber gewonnen. Herzlichen Glückwunsch und Danke dafür!


      Der Blaue Federkie


      A visit to Brontë Country

      The name Brontë Country was given to a picturesque landscape in the Pennines, which is known for having been the location where several stories of the Brontë novels took place. The low mountain range in North England below the Scottish Borders is famous for its vast heathlands, whose pink blossoms turn the Pennines into a dreamy rural mountain paradise during summer and early fall. The roughness of the rocky highland region combined with soft tones of tender flowers sets the stage for Brontë classics such as Wuthering Heights and Jane Eyre with the Brontë birthplace in Thornton being just around the corner.


      Brontë Country 


      Those familiar with British literature very well know about the unique influence the Brontë sisters had on it during the Victorian era. In a time where female authors were struggling to gain recognition in their male dominated profession, they became a beacon of emancipation by self-publishing their work under male pseudonyms. Inspired by the landscapes of the Pennines, their novels should draw a more sensitive and emotionally deep picture of the Victorian society, laying focus on the personal tragedies and class conflicts of their protagonists. 

      A very tragic female figure of literature herself, namely Sylvia Plath, is buried in Heptonstall. Her story reminds us of the inner struggles many authors are facing until today and which equally are the strength of their creativity and lyrical greatness as well as hardest challenge to overcome. World famous are her lyrical works, such as Ariel or The Bell Jar, which together with her biography of life-long struggle granted her a status as symbol of women's movement all around the world.

      Embedded in this, literature-wise meaningful ambient for female writers lays the Arvon writers house. Founded in 1968 by poets John Moat and John Fairfax as a retreat for young students with a knack for writing, it today offers writing and poetry courses to an international community of aspiring poets. 

      Unnecessary to say, that wandering the paths of the Brontë sisters in the Pennines holds some very special experiences for female writers in particular. This not only regarding literature, but also in form of magnificent nature spots as source for inspiration. From the Bride Stones near Todmorden over the valleys of Calderdale to the Kirklees forests on the Edge of Bradford, the landscape shapes the wanderer's imagination into a journey of self-reflection and muse...

      Fotostrecke: Island

      Island

      Bilder vom letzten Auslandseinsatz vor Corona im Dezember 2019. Der blaue Federkiel war damals für ein mehrteiliges Reisejournal über Island unterwegs im hohen Norden. Mit ihrer unwirklichen Eislandschaft präsentierte sich die legendäre Vulkaninsel von ihrer schönsten Seite. Ein magisches Erlebnis, das dem nordischen Winter alle Ehre gemacht hat.

      Ode to Scotland: Of Glens, Gael & Ancient Spirits

      Schottland

      In their coat of arms, the Scottish Order of the Thistle, still presents it proud and majestic: the milk thistle. A national flower with expressiveness. “Nemo me impune lacessit” or in English: “No one attacks me with impunity” is the official motto of this ancient Order of Knights. Which equally reflects the historic unyielding spirit of both, the Scottish nation and its flora. It is a rough yet breathtakingly beautiful natural landscape that still characterises the country and annually attracts about 15 million tourists.

      Pflanzen in der Literatur - Teil 2: Der Fall Rapunzel

      "Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!" 

      ist wohl einer der berühmtesten Sätze aus den Märchen der Gebrüder Grimm. Er gilt einem Mädchen mit unwahrscheinlich langen Haaren, das von der Zauberin Gothel in einen hohen Turm gesperrt wird. Die junge Dame hat ihren Namen dabei einer besonderen Pflanze zu verdanken, die laut Märchen im Kräutergarten der Zauberin wuchs. Häufig wird hier der Feldsalat als vermeintliche Rapunzel vermutet. Ob dem tatsächlich so ist, möchten wir heute etwas genauer beleuchten.

      Pflanzen in der Literatur - Teil 1: Alraune - Die Königin der Zauberpflanzen


      Die Alraune (Mandragora) ist eine krautige Pflanze, die gemeinsam mit Auberginen, Kartoffeln, Tomaten und Paprika zu den Nachtschattengewächsen zählt. Der Name der Alraune leitet sich nach den Gebrüdern Grimm von einer altgermanischen Seherin ab, die von Tacitus mit dem Namen Albruna überliefert ist. Hierzu muss man wissen, dass der Name aus den althochdeutschen Begriffen alb für "Elf, Zwerg, Faun" und rûnen für "flüstern", beziehungsweise dem gotischen Wort runa für "Geheimnis, Rune" abgeleitet ist. Albruna oder Alraune bedeutet demnach soviel wie Elfenflüstern, Elfengeheimnis oder Elfenrune. Die Namensgebung lässt erahnen, dass sich um die Alraune zahlreiche Mythen ranken. Dabei ist nicht nur das Erscheinungsbild, sondern auch die Heilwirkung der Alraune recht mysteriös...

      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Nachkriegsliteratur



      Epoche der Nachkriegsliteratur (1945–1967)


      Trümmerfrauen (Hans Dornoff)



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      Begriffserklärung: Als "Nachkriegsliteratur" wird die deutschsprachige Literatur unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis etwa zur Studentenbewegung 1967 bezeichnet. Sie ist geprägt von der unmittelbaren Auseinandersetzung mit den Folgen des Nationalsozialismus, dem Krieg und dem Zusammenbruch aller politischen und moralischen Ordnungen. Häufig wird sie auch als "Trümmerliteratur" oder "Literatur der Stunde Null" bezeichnet, wobei letzterer Begriff heute kritisch betrachtet wird, da ein vollständiger Neubeginn weder literarisch noch gesellschaftlich möglich war.

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      Kultureller Neuanfang als historischer Hintergrund


      Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 lag Deutschland nicht nur politisch, sondern auch moralisch, wirtschaftlich und kulturell in Trümmern. Die nationalsozialistische Ideologie hatte das Vertrauen in Sprache, Werte und gesellschaftliche Institutionen zerstört. 

      Viele Schriftsteller standen vor der Aufgabe, einen neuen literarischen Ausdruck zu finden, der weder nationalsozialistisch belastet war noch in die ästhetischen Formen der Vorkriegszeit zurückfiel. Die Teilung Deutschlands in Ost und West führte bald zu unterschiedlichen literarischen Entwicklungen, wobei der westdeutsche Diskurs zunächst von Aufarbeitung und Schweigen, der ostdeutsche von ideologischer Neuausrichtung geprägt war.


      Das Tausendjährige Reich (Triptychon von Hans Grundig)




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      Bedeutung der Nachkriegsliteratur

      Im Zentrum der Nachkriegsliteratur stand das Wiederfinden der literarischen und kulturellen Identität. Während der Terrorherrschaft des Nationalsozialismus waren große Teile des deutschen Literaturerbes zerstört worden, etwa durch Bücherverbrennungen. Die Rekonstruktion heimischer Literatur ging dabei Hand in Hand mit der Neuerfindung schriftlicher Ausdrucksweise.


      Restauration der Sprache als literarisches Werkzeug

      Die zentrale Herausforderung der Nachkriegsliteratur bestand in der Wiedergewinnung einer glaubwürdigen, unideologischen Sprache. Die Autoren suchten nach einem "neuen Realismus", der dem Erlebten Ausdruck verleihen konnte, ohne zu beschönigen oder zu verklären. 

      Sprachskepsis, Lakonie und ein betont sachlicher Stil prägten viele Texte dieser Zeit. Die Literatur sollte wieder glaubhaft sein und das Verstummen über das Erlebte überwinden.


      Literarische Besonderheiten

      In der unmittelbaren Nachkriegszeit dominierte die Kurzgeschichte als knappe, verdichtete Ausdrucksform, die das Fragmentarische der Zeit einfing. Es entstanden zahlreiche autobiografische Berichte, Tagebücher, Romane über Krieg und Heimkehr sowie dramatische Stücke mit existenzieller Thematik. Auch die Gruppe 47 spielte eine zentrale Rolle in der Entwicklung einer neuen Literatursprache im Westen.


      Stilmittel und Motive

      Traumatisierung, Schuld, Verstummen, Trümmer, Heimkehr, moralische Orientierungslosigkeit und der Wiederaufbau sind typische Themen. Die Sprache ist oft karg, bilderarm, fragmentiert und verzichtet auf Pathos. Der metaphorische Raum ist reduziert; stattdessen dominiert das Konkrete, das unmittelbar Erfahrbare.


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      Dann gibt es nur eins! (von Wolfgang Borchert)



      Du. Mann an der Maschine und Mann in der
      Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du
      sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe
      mehr machen – sondern Stahlhelme und
      Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Mädchen hinterm Ladentisch und
      Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen
      befehlen, du sollst Granaten füllen und
      Zielfernrohre für Scharfschützengewehre
      montieren, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen
      befehlen, du sollst statt Puder und Kakao
      Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod
      erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder,
      du sollst Haßlieder singen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst die Männer
      kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst den Mord segnen
      und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst keinen Weizen
      mehr fahren – sondern Kanonen und Panzer,
      dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen
      befehlen, du sollst Bomben und Phosphor
      über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Schneider auf deinem Brett. Wenn sie
      dir morgen befehlen, du sollst Uniformen zuschneiden,
      dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen,
      du sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir
      morgen befehlen, du sollst das Signal zur Abfahrt
      geben für den Munitionszug und für den
      Truppentransport, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der
      Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den
      Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
      Sag NEIN!

      Du. Mutter in der Normandie und Mutter in
      der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London,
      du, am Hoangho und am Mississippi, du,
      Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und
      Oslo - Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der
      Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt
      Kinder gebären, Krankenschwestern für
      Kriegslazarette und neue Soldaten für neue
      Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es
      nur eins:
      Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!

      Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann:
      dann:

      In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe
      stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge
      gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und
      muschelüberwest den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich
      fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben –

      die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde
      verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und
      Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen
      kraterzerrissenen Straßen –

      eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen,
      gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und
      Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig,
      unaufhaltsam –

      der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis
      wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den
      brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie
      umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken –

      in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer
      werden, verrotten, pilzig verschimmeln –

      in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern
      werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und
      Kirschsaft verkommen – das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf
      zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird
      stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten
      Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden
      Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken
      werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln - zerbröckeln - zerbröckeln

      dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter
      Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter
      wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren
      Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen
      verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend - und
      seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch
      die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen
      Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter
      Tierschrei des letzten Tieres Mensch - all dieses wird eintreffen, morgen,
      morgen vielleicht, vielleicht heute nacht schon, vielleicht heute nacht, wenn – –
      wenn – –



      wenn ihr nicht NEIN sagt.


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      Bedeutende Werke & Vertreter der Nachkriegsliteratur:


      Das siebte Kreuz (Roman, 1942)
      Anna Seghers

      Nach Mitternacht (Roman, 1947)
      Irmgard Keun

      Draußen vor der Tür (Drama, 1947)
      Wolfgang Borchert

      Der Mensch ist gut (Roman, 1950)
      Leonhard Frank

      Tauben im Gras (Roman, 1951)
      Wolfgang Koeppen

      Ansichten eines Clowns (Roman, 1963)
      Heinrich Böll


      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Exilliteratur




      Exilliteratur (1933 - 1945)



      Departure (Max Beckmann)


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      Begriffserklärung: Als Exilliteratur bezeichnet man literarische Werke, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 im Ausland entstanden. Sie wurden von jenen Autorinnen und Autoren verfasst, die aus politischen, rassistischen oder künstlerischen Gründen zur Emigration gezwungen wurden. Der Begriff umfasst keine stilistisch einheitliche Bewegung, sondern ist durch die existenzielle Erfahrung von Vertreibung, Sprachverlust und Heimatlosigkeit geprägt.

      Der lateinische Ursprung exilium verweist auf das Ausgeschlossensein – ein Zustand, der die Schreibenden tief durchdrang: geografisch verbannt, innerlich entwurzelt, doch sprachlich unbeugsam.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Expressionismus

       

      Epoche des Expressionismus (1910 - 1925)


      Die großen blauen Pferde (Franz Marc)


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      Begriffserklärung: Das Wort Expressionismus leitet sich ursprünglich vom lateinischen expressio für „Ausdruck“ ab. Die Epoche steht somit im Gegensatz zum Impressionismus, bei dem äußere Eindrücke und Stimmungen im Vordergrund standen. Stattdessen richtet sich der Expressionismus nach innen. Er will das Innere ausdrücken, das Seelenleben, die Gedankenwelt, das Zerrissene, das Chaotische und das Verstörte. In der Literatur bedeutet das: Kunst als Schrei, als Aufbruch, als Gegenwehr gegen Erstarrung und Konvention.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Impressionismus

       

      Epoche des Impressionismus (1890 - 1910)


      Water Lilies (Claude Monet)


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      Begriffserklärung: Der Begriff Impressionismus leitet sich vom lateinischen impressio ab, was so viel wie Eindruck oder Empfindung bedeutet. Ursprünglich in der Malerei gebräuchlich (z. B. durch Claude Monets Impression, soleil levant), wurde er bald auf andere Künste übertragen. In der Literatur meint Impressionismus das Streben, flüchtige Sinneseindrücke, subjektive Wahrnehmungen und Stimmungen sprachlich einzufangen. Es geht nicht um große Ideen oder Handlungen, sondern um das feine Schimmern des Moments – das Flüchtige, das Unsagbare, das nur im Hauch berührt werden kann.


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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Naturalismus


      Naturalismus (1880 - 1910)



      Die Quelle (Arnold Lyongrün)


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      Begriffserklärung: Naturalismus bedeutet die ungeschönte Darstellung der Realität. Die Wirklichkeit wird radikal abgebildet (Kunst) oder schriftlich wieder gegeben (Literatur), so wie sie ist. Das Motto dieser literarischen Epoche ist die unverzerrte Wiedergabe der Realität, basierend auf detailgetreuer Interpretation von Fakten und Tatsachen. Insofern ist sie eine gesteigerte Form des Realismus. 


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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Realismus




      Epoche des Realismus (1848–1890)


      Eisenwalzwerk (Adolph Menzel)



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      Begriffserklärung: Der literarische Realismus, meist genauer als bürgerlicher Realismus bezeichnet, beschreibt die Epoche zwischen ca. 1848 und 1890, in der sich Literatur verstärkt dem Wirklichen zuwendet – allerdings nicht im Sinne einer nüchternen Abbildung der Realität, sondern durch eine verklärende, künstlerisch stilisierte Darstellung des Alltäglichen. Es ging nicht um die bloße Reproduktion der Welt, sondern um eine glaubwürdige, ästhetisch gestaltete Verdichtung des bürgerlichen Lebens.

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      Ernüchterung als historischer Hintergrund


      Die Zeit des Realismus fällt in eine Phase tiefgreifender gesellschaftlicher Umbrüche. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 und inmitten der rasch voranschreitenden Industrialisierung richtete sich der Fokus der Menschen wieder verstärkt auf das Private und das Persönliche. Politische Resignation, aber auch ein wachsendes Selbstverständnis des Bürgertums prägten das Denken und Handeln. 

      Auch die deutsche Einigung (1871) warf lange Schatten voraus, ebenso wie soziale Spannungen, die sich aus der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich ergaben. In dieser Atmosphäre entstand eine Literatur, die sich auf das Innenleben des Einzelnen, auf menschliche Beziehungen, Arbeit, Herkunft und Moral konzentrierte – fern von Pathos, aber auch fern politischer Kampfeslust.


      Die Steinhauer (Gustave Courbet)



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      Bedeutung des Realismus für die Literatur


      Pragmatismus und eine Fokussierung auf das Wesentliche stehen im Realismus im Vordergrund. Die Sprache der Literatur ist während dieser Epoche wenig verschnörkelt und abgehoben, sondern bleibt auf dem Boden der Tatsachen. Dies wirkt sich auch auf die vorherrschenden Stilmittel und Textsorten aus.


      Vernunft als literarisches Werkzeug

      Im Realismus wird Beobachtung zum zentralen literarischen Instrument. Autorinnen und Autoren legten Wert auf eine präzise Darstellung gesellschaftlicher Realität, dabei jedoch mit ästhetischem Abstand, oft durch Ironie oder subtile Kritik. 

      Der Mensch wird nicht idealisiert, sondern in seiner alltäglichen Wirklichkeit, mit all seinen Schwächen und Ambivalenzen, gezeigt. Statt revolutionärer Ideen tritt die genaue, oft psychologisch nuancierte Beschreibung von Schicksalen, Berufen und sozialen Rollen.


      Literarische Besonderheiten

      Typisch für den Realismus ist der Fokus auf epische Texte, insbesondere Novellen und Romane, in denen Figuren glaubwürdig, sprachlich maßvoll und mit psychologischer Tiefe gezeichnet werden. 

      Lyrik spielt nur eine untergeordnete Rolle, das Drama blieb fast bedeutungslos. Häufig verwendete man Rahmenerzählungen, retrospektive Rückblicke oder eine auktoriale Erzählinstanz, die den Leser leitete, ohne moralisch zu werten.


      Stilmittel und Motive

      Im Zentrum stehen bürgerliche Lebenswelten, Pflichtgefühl, individuelle Verantwortung, Arbeitsethik, Herkunft, aber auch Themen wie verlorene Ideale, vergebliche Liebe oder schicksalhafte Lebensläufe. Stilistisch dominieren detailreiche Beschreibungen, eine sachliche, oft ironisch unterlegte Sprache, sowie eine klare, strukturierte Erzählweise. 

      Reiz und Tiefe entstehen nicht durch laute Dramatik, sondern durch leise Beobachtungen, Doppeldeutigkeiten und ein fast melancholisches Nachdenken über das menschliche Dasein.


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      John Maynard (von Theodor Fontane)



      John Maynard!

      „Wer ist John Maynard?“

      „John Maynard war unser Steuermann,
      Aushielt er bis er das Ufer gewann,
      Er starb für uns, er trägt die Kron’,
      Er hat uns gerettet, die Liebe sein Lohn.
      John Maynard.“

      Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,
      Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee,
      Von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
      Alle Herzen aber sind frei und froh,
      Und die Passagiere, mit Kindern und Frau’n
      Im Dämmerlicht schon das Ufer schau’n
      Und plaudernd an John Maynard heran
      Tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?
      Der schaut nach vorn und schaut in die Rund’:
      „Noch 30 Minuten … Halbe Stund’.“

      Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –
      Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei,
      „Feuer“ war es, was da klang,
      Ein Qualm aus Kajütt’ und Luke drang,
      Ein Qualm, dann Flammen lichterloh,
      Und noch 20 Minuten bis Buffalo.

      Und die Passagiere, buntgemengt,
      Am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,
      Am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,
      Am Steuer aber lagert sich’s dicht,
      Und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? wo?“
      Und noch 15 Minuten bis Buffalo.

      Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,
      Der Kapitain nach dem Steuer späht,
      Er sieht nicht mehr seinen Steuermann,
      Aber durchs Sprachrohr fragt er an:
      „Noch da, John Maynard?“
      „Ja, Herr. Ich bin.“
      „Auf den Strand. In die Brandung.“
      „Ich halte drauf hin.“
      Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus. Halloh.“
      Und noch 10 Minuten bis Buffalo.

      „Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt’s
      Mit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s.“
      Und in die Brandung, was Klippe was Stein,
      Jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein,
      Soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.
      Rettung: der Strand von Buffalo.

      Das Schiff geborsten. Das Feuer verschweelt.
      Gerettet alle. Nur Einer fehlt!

      Alle Glocken gehn; ihre Töne schwell’n
      Himmelan aus Kirchen und Kapell’n,
      Ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,
      Ein Dienst nur, den sie heute hat:
      Zehntausend folgen oder mehr
      Und kein Aug’ im Zuge, das thränenleer.

      Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,
      Mit Blumen schließen sie das Grab,
      Und mit goldner Schrift in den Marmorstein
      Schreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

      „Hier ruht John Maynard. In Qualm und Brand,
      Hielt er das Steuer fest in der Hand,
      Er starb für uns, er trägt die Kron’,
      Er hat uns gerettet, die Liebe sein Lohn.
      John Maynard.“

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      Bedeutende Werke & Vertreter des Realismus:


      Wittenberg und der Weg dorthin (Roman, 1853)
      Fanny Lewald

      Soll und Haben (Roman, 1855)
      Gustav Freytag

      Der Schimmelreiter (Novelle, 1888)
      Theodor Storm

      Irrungen, Wirrungen (Roman, 1888)
      Theodor Fontane

      Effi Briest (Roman, 1895)
      Theodor Fontane


      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Vormärz

       

      Epoche des Vormärz (1830 - 1848)


      Studentenfackelzug (Adolph Menzel)



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      Begriffserklärung: Als Vormärz bezeichnet man eine literarische Epoche, die zeitlich etwa von 1815 bis 1848 reicht und den Zeitraum vor der Märzrevolution in Deutschland umfasst. „Vormärz“ steht dabei symbolisch für die politischen und gesellschaftlichen Unruhen, die den Aufbruch in eine demokratischere und gerechtere Gesellschaft ankündigte. Die Literatur des Vormärz zeichnet sich durch ihr Engagement gegen Unterdrückung, Zensur und soziale Missstände aus.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Biedermeier


      Epoche des Biedermeier (1815 - 1848)



      Der arme Poet (Carl Spitzweg)

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      Begriffserklärung: Die Bezeichnung Biedermeier geht nicht auf einen literarischen oder künstlerischen Selbstbegriff zurück, sondern entstand spöttisch-nachträglich. Sie leitet sich vom fiktiven „Gottlieb Biedermeier“ ab – einer satirischen Figur aus dem Fliegenden Blatt, die einen schlichten, braven, unpolitischen Spießbürger karikierte. 

      Das Adjektiv „bieder“ bedeutete ursprünglich so viel wie rechtschaffen, brav, gutmütig, bekam aber durch ironischen Gebrauch zunehmend den Beiklang von unreflektierter Angepasstheit und Spießertum. Heute steht der Begriff Biedermeier für eine Literatur- und Lebenshaltung, die sich nach Ordnung, Innerlichkeit und familiärer Geborgenheit sehnte – als Rückzug in einer Zeit gesellschaftlicher Spannungen.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Romantik

       

      Epoche der Romantik (1798 - 1848)


      Die tausendjährige Eiche (Carl Friedrich Lessing)


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      Begriffserklärung: Der Begriff der Romantik leitet sich vom französischen romantique und dem literarischen Genre des „romanhaften“ ab – im Sinne des Fantastischen, Gefühlvollen und Wunderbaren. In bewusster Abgrenzung zur rationalen Strenge der Aufklärung und Klassik wandte sich die Romantik dem Inneren, dem Geheimnisvollen und dem Gefühl zu. Sie erhob das individuelle Erleben, die Sehnsucht, das Unbewusste und die Natur zum Zentrum poetischer Erfahrung.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Weimarer Klassik

       

      Epoche der Weimarer Klassik (1786 - 1832)


      Die Ely Familie (Angelika Kauffmann)


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      Begriffserklärung: Die Bezeichnung Weimarer Klassik bezieht sich auf die kulturelle Blütezeit in Weimar, die wesentlich von den beiden Dichterfreunden Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Der Begriff „Klassik“ leitet sich von der Idee ab, eine „klassische“ Harmonie zwischen Verstand, Gefühl und moralischer Haltung anzustreben – inspiriert von der griechischen Antike und ihrem Ideal des Maßvollen und Schönen. Ziel war eine Literatur, die sittlich bildet, ästhetisch erhebt und menschliche Reife fördert.

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      Literatur in Tateinheit mit Kunst: Sturm und Drang

       

      Epoche des Sturm und Drang (1767 - 1795)


      Der Wanderer über dem Nebelmeer (Caspar David Friedrich)


      Notiz: 

      Obwohl das Gemälde Der Wanderer über dem Nebelmeer von Caspar David Friedrich lange nach dem literarischen Sturm und Drang entstand und als eines der ikonischsten Werke der Romantik gilt, lassen sich stimmungsästhetische Parallelen in der Erhabenheit der Natur und der emotionalen Selbstvergewisserung des Dargestellten erkennen. Veranschaulichen lässt sich dies anhand eines Zitates aus Goethes Die Leiden des jungen Werther von 1774. Darin heißt es:


      „Ich fühle mich wie ein Gott – ich erschaffe eine Welt!“


      Das Sturm-und-Drang-Zitat passt perfekt zu Friedrichs Gemälde. In seiner Bildsprache ist der Künstler jedoch kontemplativer und metaphysischer als die klassische Kunst des Sturm und Drang – ganz im Geist der Romantik. Es zeigt die enge Verbindung von Mensch und Natur, wie sie für die Epoche charakteristisch ist – zugleich symbolisiert die Rückenfigur das romantische Ideal des nach Sinn suchenden, innerlich bewegten Individuums.

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      Begriffserklärung: Der Begriff Sturm und Drang bezeichnet eine literarische Jugendbewegung des späten 18. Jahrhunderts, die sich gegen die vernunftbetonte Aufklärung wandte. Der Name geht auf das Drama Sturm und Drang (1776) von Friedrich Maximilian Klinger zurück, einem engen Freund Goethes. Die Bezeichnung steht sinnbildlich für den emotionalen Aufruhr, das Aufbegehren gegen Autoritäten und die kultivierte Leidenschaft, mit der diese Generation ihre literarische Sprache neu erfand.

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